Naturschutzpolitik -  Kernthema des Naturschutzbund Deutschland

Der NABU engagiert sich auf Bundes-, Landes- sowie Kommunalebene neben den vielfältigen Umwelt- und Artenschutzthemen auch schwerpunktmäßig in der Naturschutzpolitik. Mit dem Wissen über die Komplexen Zusammenhänge in der Natur, Kenntnisse von Verbreitungsdaten seltener und gefährdeter Arten sowie einem Verständnis für Planungsabläufe und -verfahren kann der NABU Kommunen und Politik hilfreiche Unterstützung und Beratung bieten. Vor allem Kommunalverwaltungen, die den Anspruch haben ökologisch nachhaltige und naturschutzfachlich sinnvolle Bauplanungen durchzuführen können von einer Zusammenarbeit profitieren.

Naturschutzpolitische Einflussnahme auf die konkrete Ausgestaltung der Politik vor Ort ist allerdings für eine Ortsgruppe kaum möglich. Jedoch können wir im besten Fall Anreize und Impulse für eine nachhaltigere Entwicklung unserer Heimat und den Schutz gefährdeter Arten geben. Zudem weisen wir auf rechtlich verbindliche Verpflichtungen der Stadt gegenüber dem Naturhaushalt hin, welche sich aus dem Planungsrecht ergeben (z. B. nicht umgesetzte Ausgleichsmaßnahmen) und stellen Naturschutzprojekte auf die Beine, die unsere Landschaft als Lebensraum für Wildtiere und -pflanzen deutlich aufwerten. Auch informieren wir die zuständigen Kreisbehörden bei Verstößen gegen das Artenschutzrecht nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz. Hier müssen wir zukünftig weiter "dicke Bretter bohren", da Verstöße leider viel zu selten geahndet werden. Im Folgenden finden Sie Beispiele unserer naturschutzpolitischer  Arbeit.


Bürgermeisterwahl 2021

Im März 2021 standen die Bürgermeisterwahlen in Hadamar an. Im Vorfeld haben wir allen zur Wahl stehenden Personen eine Einladung für ein Treffen zugesandt. Angenommen wurde es von Frau Obermann und dem amtierenden Bürgermeister Herrn Ruoff. Beide Treffen waren sehr offen und konstruktiv.

 

Unsere beiden Vorsitzenden konnten am Beispiel Gewerbegebiet Oberweyer Versäumnisse der Stadt in Sachen Naturschutzplanung aufzeigen. Unsere Kritik, aber auch unsere Ideen für eine ökologischere Bauleitplanung und mehr Berücksichtigung von Artenschutzbelangen in diversen Verfahren war für Frau Obermann sehr interessant und Herr Ruoff hat sie angenommen. Für uns der wichtigste Punkt waren die vielen, teilweise seit Jahrzehnten nicht umgesetzten Naturschutz-Ausgleichsmaßnahmen im gesamten Gemeindegebiet. Hier fordern wir eine zeitnahe Umsetzung und werden das Thema nicht los lassen, da es sich um gesetzlich verpflichtete Maßnahmen handelt, die eigentlich mal zum Ziel hatten Naturräume und Biotope zu schaffen, welche für Bauprojekte zerstört wurden. Herr Ruoff war auf das Treffen sehr gut vorbereitet und wir sind gespannt, jetzt wo er die Wahl knapp gewonnen hat, ob er seine Idee für einen Kompensationspool mit uns zusammen umsetzen wird.


Abriss einer Scheune zur Brut- und Wochenstubenzeit

Konsequenzloser Verstoß gegen das Artenschutzrecht

Dieser Fall hat uns erschüttert. In Hadamar Kernstadt wurde eine alte Bruchsteinscheune ohne Genehmigung im Winter eingerissen. Die Stadt meldete dies dem Kreisbauamt und es kam zum Baustopp. Wir wurden von einer Anwohnerin angerufen und informiert, dass sich in der Scheune Quartiere von europarechtlich geschützten Fledermäusen sowie diversen Vögeln, u. a. dem artenschutzrechtlich relevantem Haussperling befinden. Hier werden also nach Bundesnaturschutzgesetz geschützte regelmäßige Ruhe- und Fortpflanzungsstätten von gefährdeten Arten wie Fledermäusen und Gebäudebrütern (z.b. Haussperling, ggf. Mauersegler) durch den Abriss zerstört.
Wir informierten sofort die zuständige Behörde sowie den Kreisbeigeordneten Herr Sauer von der SPD und hofften auf die korrekte Umsetzung des Artenschutzrechts. Unsere Forderung lautete: "Abriss nur außerhalb der Brut- und Wochenstubenzeit sowie Ersatz der Quartiere. Ohne eine behördliche Auflage im Rahmen der Abrissgenehmigung gehen diese potenziellen Brutstätten nämlich durch den Abriss auf ewig verloren, denn dann gibt es keinen Ersatz durch spezielle Nist- und Fledermauskästen. Nach Bundesnaturschutzgesetz ist es allerdings rechtlich zwingend notwendig, Brutstätten auszugleichen, wenn sie durch Abriss oder Sanierung zerstört werden. Wird das Gebäude nicht auf geschützte Arten hin untersucht und bietet so viel Potenzial für die genannten Arten wie diese Scheune, dann muss von einem Worst Case ausgegangen und Ersatz gefordert werden. Zudem ist der Abriss in der Brutzeit von Vögeln sowie in der Wochenstubenzeit von Fledermäusen zwingend zu unterlassen, da sonst der Verbotstatbestand nach § 44 BNatSchG Abs. 1, Nr. 1 ausgelöst wird. Somit ein Straftatbestand!"
Uns wurde durch Herrn Sauer mitgeteilt, dass sich der Sache angenommen und die Scheune natürlich nicht in dieser sensiblen Zeit abgerissen wird. Zu unserem Entsetzen wurde die Genehmigung dann darauf folgend im April erteilt und die Scheune Anfang Mai in der Hauptbrut- und Wochenstubenzeit OHNE die Anwesenheit eines Fachgutachters abgerissen, welcher ggf. Quartiere von Wildtieren ausschließen hätte können. Wieviele Fledermäuse und Vögel durch diesen Abriss ums Leben gekommen sind können wir nur erahnen. Mit diesem Fall wird deutlich wie schlecht es um die Einhaltung des geltenden Artenschutzrechts auf Kreisebene bestellt ist.

Anfrage an den Magistrat und alle Parteien

Im Folgenden veröffentlichen wir unsere Anfrage, die wir im Sommer 2021 an den Magistrat gestellt haben. Zudem haben wir die Unterlage allen Parteien zur Kenntnis geschickt. Bis Heute (Stand Oktober 2021) hat der Bürgermeister als Vorsitzender des Magistrates sowie die weiteren Magistratsmitglieder uns keine Rückmeldung zu den unten aufgeführten Themen gegeben. Die Parteien SPD und Die Grünen waren uns sehr zugetan und haben sofort reagiert. Sie stellten auf Grundlage unseres Schreibens eine eigene Anfrage in der Stadtverordnetenversammlung. Die CDU hat uns zu ihrer Fraktionssitzung eingeladen auf der wir die Möglichkeit hatten die Kommunalpolitiker persönlich über die Themen "Ausgleichsflächenproblematik" und "Mulchen von Wegrändern" aufzuklären und zu informieren. Die CDU stellte daraufhin in der Stadtverordnetenversammlung einen Antrag zur Überprüfung von nicht umgesetzten Ausgleichsmaßnahmen in ausgewählten Baugebieten. Dies ist ein Teilerfolg für den Naturschutz. Was jedoch mit dem Ergebnis der Analyse passiert ist die nächste Frage. Die Verwaltung wird feststellen, dass es Versäumnisse gab und wir werden weiterhin darauf drängen, dass diese rechtlichen Verpflichtungen auch nachträglich noch ordnungsgemäß umgesetzt werden müssen.


Nicht umgesetzte Ausgleichsmaßnahmen

Vor der Kommunalwahl 2021 haben wir bei einem Treffen mit Bürgermeister Michael Ruoff eine Vielzahl von ausgewiesenen Ausgleichsflächen aufgezeigt, bei denen die Festsetzungen seit teilweise mehr als 20 Jahren nicht umgesetzt wurden. So zum Beispiel im Gewerbegebiet Oberweyer. Hier wurde nie die festgesetzte heimische Hecke auf dem Ausgleichsstreifen gepflanzt. Manche Ausgleichsflächen werden sogar intensiv landwirtschaftlich und gewerblich genutzt, obwohl sie extensives Grünland aufweisen müssten.

 

Naturschutzrechtlicher Ausgleich in Bauverfahren ist nach Bundesnaturschutzgesetz geregelt und zwingend nötig, um nachhaltigen Schaden an unserer Biodiversiät, den Böden und den ökologischen Kreisläufen abzuwenden. Jeder Eingriff in den Außenbereich muss somit durch naturschutzrechtlichen Ausgleich kompensiert werden (Eingriffsregelung § 13 ff BNatSchG). Hier läuft seit Jahren in der Planungspraxis einiges schief und häufig wird der Ausgleich nie umgesetzt, obwohl die Gelder dazu eingerechnet sind. Wir sehen mit großer Sorge, dass städtische Ausgleichsflächen, die eigentlich dem Zweck Naturschutz unterliegen, verkauft oder verpachtet werden und durch die Nutzer falsch bewirtschaftet und in einigen Fällen sogar bebaut werden. Mit einer nachhaltigen Stadt- und Dorfentwicklung hat dies nichts tun tun. Auch im Hinblick auf aktuelle und zukünftige Bauleitplanverfahren weisen wir auf die Dringlichkeit der Umsetzung geplanten Ausgleichsmaßnahmen hin. Herr Ruoff hat uns zugesichert, die angesprochene Problematik nicht aus dem Fokus zu verlieren, so dass versäumte Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden können.

 

Wir vom NABU-Hadamar haben uns zum Ziel gesetzt alle umgesetzten und nicht umgesetzten Kompensationsmaßnahmen im Gemeindegebiet zu erfassen und ihren Ist-Zustand sowie die Nutzung zu dokumentieren. Am Ende soll ein Flächenkatalog stehen der die Versäumnisse aus den letzten Jahren aufzeigt und der hilft die Maßnahmen systematisch nachträglich umzusetzen. Wir möchten von der Stadt wissen, wann diese Maßnahmen rückwirkend umgesetzt werden?


Mulchen von Weg- und Ackerrändern

Wo vorher Wildblumen blühten ist nur noch eine Agrarwüste übrig
Wo vorher Wildblumen blühten ist nur noch eine Agrarwüste übrig

Das Thema „Mulchen von Wegrändern in Feld und Wald“ wird in unseren Nachbargemeinden medial schon stark diskutiert. Auch wir stellen natürlich seit Ewigkeiten fest, dass Wegränder im Gemeindegebiet als Pflegemaßnahmen von den Mitarbeitern des Bauhofs, aber auch von Landwirten in regelmäßigen Abständen gemulcht werden. Im Gegensatz zum Mähen haben beim Mulchen Kleintiere keine Chance zu überleben. Insekten, Reptilien, Amphibien, Kleinsäuger und manche Bodenbrüter werden dabei durch den Mulcher zerschlagen, verletzt und getötet. Auch können Wildblumen nicht trocknen und aussamen. Ackerränder und Wiesenfeldwege stellen in der intensiv bewirtschafteten Landschaft letzte Refugien für Kleinlebewesen und Wildpflanzen dar. Zudem sind sie wichtige Vernetzungsbiotope in der ausgeräumten Landschaft.

 

In einer Zeit in der 80 % der Biomasse an Insekten ausgestorben sind, das Insektensterben seinen absoluten Höhepunkt erreicht hat, die Biodiversität unserer Kulturlandschaft deutlich zurückgeht und viele Arten ums Überleben kämpfen sind kommunale Konzepte zum Schutz der Artenvielfalt und des Biotopverbundes nötig. Die Kommunalpolitik kann hier steuernd Hilfestellung leisten. Positive Beispiele finden sich in den Gemeinden Hundsangen, Elz und Diez. Dort funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Gemeinde sehr gut. Alle Kommunen haben ihre Bauhöfe angewiesen auf das Mulchen der Ackerränder und Wiesenwege zu verzichten. Ein Verbot wurde durch den/die Bürgermeister/In erteilt. In Hundsangen sind so Kilometer an Blühstreifen an Wegrändern entstanden. Diez bringt eine neue Feld- und Waldwegesatzung auf den Weg. Ein weiterer Schritt ist die Zusammenarbeit und Gespräche mit dem Ortslandwirt.

 

Wir fordern, diese Tätigkeit nur auf die Bereiche zu beschränken, bei denen es aus Verkehrssicherungsgründen unbedingt erforderlich ist. Unnötige Bereiche wie die Feldwege oder Randbereiche von Wirtschaftswegen sollten dabei ausgespart bleiben. Gleiches gilt für die Landwirtschaft, die unbedingt in die Gespräche mit einbezogen werden sollte. Letztlich tragen wir alle durch unsere Tätigkeiten Verantwortung für unsere Umwelt und unsere Mitgeschöpfe, auch wenn es nur um Kleinlebewesen geht. Dies ist für die Stadt Hadamar eine der einfachsten und effektivsten Methoden, um einen großen Verbund aus natürlichen Blühstreifen zu schaffen, es werden finanzielle Ressourcen gespart und das Klima geschont.


Wanderbarriere für Wasserlebewesen am Salzbach

Seit vielen Jahren verhindert eine Mauer im Salzbach, Gemarkung Niederzeuzheim, ca. 50 m vor der Einmündung in den Elbbach, das Aufsteigen von Fischen in den Salzbach. Diese Mauer soll schon seit vielen Jahren entfernt werden, was aus Kostengründen immer wieder verschoben wird. Wir möchten daran erinnern und erwarten, dass der Abriss der Mauer oder eine Umgehung die den Fischaufstieg zulässt, endlich einmal umgesetzt wird. Wir verweisen auf die Vorgaben aus der Wasserrahmenrichtlinie (EG-Richtlinie 2000/60/EG). Diese Richtlinie legt fest, dass Querbauwerke und Wehre aus Gewässern entfernt oder für Wasserorganismen umschwimmbar gemacht werden müssen. Diese Maßnahmen lässt sich ggf. auch als Artenschutzmaßnahme mit Fördergeldern umsetzen. Dies ist dringend durch die Stadt zu prüfen, um die ökologische Funktion des Salzbaches wieder herzustellen.